Hoffnung in ungewisser Zeit

Reise in die Westukraine vom 27. August bis 5. September 2022

Und als er seine Augen aufhob, sah er … Richter 19,17
Wir leben in einer Zeit, die von Ungewissheit geprägt ist, in Deutschland, in der Ukraine, aber auch überall, wo man hinsieht: die Pandemie, explodierende Preise für Lebensmittel und Kriegszustände. Unwillkürlich stellt man sich die Frage: „Was kommt noch alles auf uns zu? Was erwartet uns morgen?“ Im Gegensatz zu vielen Menschen dieser Welt dürfen Christen diese Fragen Gott abgeben. Es ist gut zu wissen, dass wir jeden einzelnen Tag unserem Gott anvertrauen dürfen. Doch wie steht es mit den Menschen, die diesen Halt nicht haben? Gerade in dieser Zeit haben wir Christen die Aufgabe, den Blick um uns herum zu weiten; und wenn wir die Not erkennen, dann heißt es: helfen. Es kann eine praktische Hilfe sein für Menschen, die heute darum kämpfen, satt zu werden, oder aber auch eine Hilfe durch Gottes Wort mit Trost und Mut zusprechen.
Dieser Mann hob seine Augen auf und sah die Not…
Ende August durften wir mit sieben Brüdern aus fünf verschiedenen Gemeinden die Ukraine besuchen. Immer noch wird das Land durch die Unruhen im Osten hin- und hergerissen. Kriegszustände, viele Menschen befinden sich auf der Flucht in der Hoffnung, ein ruhigeres Zuhause zu finden.
Am Samstag, den 27. August, starteten wir. Der erste Gottesdienst fand in Linz (Österreich) statt. Eine kleine Gruppe Christen nahm uns sehr liebevoll auf. Nach einem gemeinsamen Mittagessen fuhren wir weiter und kamen gut in der Westukraine an. Am nächsten Morgen besuchte ein Teil unserer Gruppe die Familie Warga in Gruschowo, die sich sehr um Flüchtlinge kümmert. Außerdem verrichten sie einen wertvollen Dienst an Waisenkindern. Wir durften zusammen mit ihnen beten und Trost zusprechen. Der andere Teil der Gruppe fuhr nach Mukatschewo. Dort besichtigten sie den Anbau am Bethaus, in dem Gruppenräume für Kinderstunden und Übernachtungsmöglichkeiten für Kursteilnehmer gebaut werden. Abends fand ein Gottesdienst in Ilnizja statt. Ein einheimischer Bruder begleitete uns am darauffolgenden Tag zu einem kleinen Zigeunertabor in Bilki. Dort hatte man ein Zelt aufgebaut und einige Zuhörer kamen und hörten die Botschaft. Abends kam es zum Höhepunkt: Es fand die Einschulung in der größten Zigeunergemeinde in Korolevo statt. Sehr viele Geschwister kamen zu diesem Fest mit ihren Kindern. Ganz anders als wir es gewohnt sind, begann der Gottesdienst bei viel Bewegung und lauten Unterhaltungen. In dieser gehobenen Stimmung durften unsere Brüder das Wort Gottes teilen, es sang der Chor, die Kinder brachten ihr Programm und der gemeinsame Gesang verschönerte den Gottesdienst. Der Älteste der Gemeinde richtete seinen Dank an alle, die es ermöglicht hatten, dass so eine Schule entstehen konnte. Er beteuerte, dass es ein Segen sei, dass jetzt viele Kinder lesen können. Zum Abschluss wurde ein Gebet für die Schüler gesprochen; alle anwesenden Diener nahmen daran mit aufgehobenen Händen teil.


Eines der Hauptziele unserer Fahrt war ein Seminar für Lehrer, die an der Zigeunerschule unterrichten. Wir brachten die Themen, unter anderem ging es z.B. um Petrus und seine Eigenschaften. Zwischendurch gab es Kaffeepausen mit Austausch und guten Gesprächen. Einen Abend verbrachten wir beim Schulleiter Igor Goma. Das Hauptthema des Abends war die Schule und wie man sich denken kann, ist dieser Dienst auch mit Schwierigkeiten verbunden; darüber wurde ausgetauscht. Am Freitag wurde das zweitägige Seminar abgeschlossen, mit viel Gebet für die Lehrer, ihren Dienst und die Schule. Abends fand ein Einschulungsgottesdienst in Podwinogradowo statt. Der Ablauf glich dem in Korolevo. Aktuell werden in beiden Schulen insgesamt ca. 650 Schüler unterrichtet. Gerne dürft auch ihr, liebe Leser, diesen wichtigen und oft nicht leichten Dienst im Gebet mittragen! Parallel zu diesem Einschulungsgottesdienst lief auch noch ein Gottesdienst in Saretschje, an dem auch wir teilnahmen. Wir ließen diesen Abend in einer Gemeinschaft mit der Schulleitung ausklingen und damit ging auch unsere Zeit in dieser Region seinem Ende zu. Das Erlebte und Gesehene durften wir in einem Gebet Gott abgeben und begaben uns zur Nachtruhe. Nach dem Frühstück machten wir uns auf die weitere Fahrt und kamen nach sechs Stunden in Wladimir-Wolynski an. Dort durften wir uns mit den Geschwistern mitfreuen, denn in kurzer Zeit ist es ihnen gelungen, den Rohbau des Bethauses fertigzustellen. Jetzt werden fleißig Innenarbeiten ausgeführt und die Außenfassade hergerichtet. Wir übernachteten in einem Freizeitheim im Dorf Wolja. Morgens wurden wir aufgeteilt: Einige Brüder fuhren zum Gottesdienst nach Kowel und die anderen blieben hier. Es ist hier in Wolja eine eher kleinere Gemeinde, aber die hier gewonnenen Eindrücke lassen einen nicht kalt. Bruder Wadim (Gemeindeleiter) erzählte uns von ihrer Arbeit mit behinderten Menschen. Was einige von uns das erste Mal erlebten, war Folgendes: Noch vor Beginn des Gottesdienstes wurde ein Bett hereingetragen und dann auch ein Mann, der schwerst körperbehindert ist. So lag er während des ganzen Gottesdienstes da und lauschte der Botschaft. Ohne Unterstützung ist er absolut hilflos – und das schon 37 Jahre. Auch noch andere gesundheitlich eingeschränkte Menschen waren anwesend. Da fragte ich mich: „Wie steht es um meine Dankbarkeit? Bin ich denn besser als dieser Mann? Habe ich es verdient, dass es mir besser geht?“
Ich wünsche mir, dass der Herr uns offene Augen schenkt, um die Not, die um uns herum herrscht, zu sehen.
Nach einem Mittagessen wurden wir herzlich verabschiedet und wir fuhren zu unserem letzten Ziel innerhalb der Ukraine – eine Besichtigung des Baus des Bethauses in Kowel. Anschließend ging es auch schon weiter zur polnischen Grenze. Wir sahen die langen Autoschlangen, passierten die Grenze jedoch ohne große Schwierigkeiten.
Gott hielt seine gnädige Hand über uns: Wir durften die erhörten Gebete spüren und dafür sind wir ihm sehr dankbar!
J. B.