Braucht denn ein Kasache Christus?

Immer wieder werde ich gefragt, warum ich als Kasache an Jesus Christus glaube.
Sie denken, dass Er nicht mein Gott sein kann. Warum bin ich denn Christ? Sie denken, dass ich dazu bestochen wurde, nennen mich Verräter und sagen, dass solche keinen Platz unter den Kasachen haben dürfen. Dies und vieles andere höre nicht nur ich, sondern auch andere an Jesus Christus glaubende Kasachen. Ich möchte davon berichten, warum ich an Jesus Christus gläubig und Sein Nachfolger geworden bin. Es ist mein Wunsch, ja sogar meine Pflicht, anderen zu berichten, weshalb ich Christ geworden bin.
Anfang 2000 befand ich mich in einer Lage, wo mir der Selbstmord als einziger Ausweg zur Lösung all meiner Probleme schien. Alle, die mich liebten und die ich liebte, waren gestorben. Zuerst mein Vater, dann mein Bruder und schließlich meine Mutter.
Bei meiner Geburt erhielt ich den Namen Bulat, ich war der vierte Sohn. Man kann sogar sagen, dass ich das „Kind im hohen Alter“ war. Mein Vater war damals 47 und meine Mutter 42 Jahre alt. Ich wurde in vielerlei Hinsicht verwöhnt und mir wurde vieles gestattet, was meinen anderen Geschwistern verboten war. Die Liebe meiner Eltern umschlang mich förmlich. So verliefen meine Kindheit und Jugendzeit. Ich war wie die meisten meiner Zeitgenossen ein Atheist, obwohl ich mich auch als Muslim fühlte, da ich ein Kasache war. Es ist meisten so, dass Kasachen sich zum Islam bekannten und bekennen.
Ich schloss mein Militärdienst ab und bekam eine Arbeitsstelle. Ich arbeitete im Bereich der Sicherheit und Überwachung. Dort wurde ich alkoholsüchtig. Nicht zu trinken galt als Beleidigung gegenüber den Älteren und Verantwortlichen.
Während des Zerfalls der Sowjetunion fiel auch ich in einen Zustand der Unsicherheit und unaufhaltsamen Arbeitslosigkeit. Innerhalb von zehn Jahren verlor ich viele Nahestehende, die ich sehr schätzte.
Einer meiner Brüder war der Vorgesetzte im Ministerium für innere Angelegenheiten. Eines Tages begegnete er mir auf der Straße und sagte voller Verachtung: „Lieber würdest du verrecken, als auf dieser Erde zu gehen und uns mit deiner Sauferei zu blamieren. Ich bin bereit auf deiner Trauerfeier ein Pferd zu schlachten, nur um nie wieder von dir zu hören.“ Dies war der letzte Tropfen, der meine Entscheidung zum Selbstmord bestätigte. Und ich entschied mich.
Doch an dem Tag, an dem ich Suizid begehen wollte, ließ der Herr in meinem Leben eine Begegnung zu, die mein ganzes Leben veränderte.
Am Rande der Stadt hatte jemand ein Zelt aufgestellt. So ein großes Zelt hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich wurde neugierig. Als ich näherkam, sah ich einen bekannten Kasachen, der einige Jahre jünger war als ich.
Ich fragte ihn: „Was ist das?“
Seine Antwort gab mir zu denken: „Hier erzählen wir von Gott!“
„Wer ist Er?“, fragte ich.
„Jesus Christus“, war die Antwort.
Ich packte ihn an seine Kehle und rief: „Was erzählst du mir da? Ich bin Moslem! Du selbst darfst von irgendeinem russischen Gott nicht reden! Überleg doch mal!“
Doch dann packte mich die Neugierde, und ich beschloss einzutreten und zu hören, worüber sie redeten. Als ich eintrat erschlug mich die große Menschenmenge und ich setzte mich direkt am Eingang auf eine Bank. Doch in meinem betrunkenen Gehirn tauchte ein Gedanke auf: „Du befindest dich bei dir Zuhause, in deiner Heimatstadt und sitzt wie ein Bettler am Eingang. Das darf nicht sein!“ Ich stand auf und setzte mich an einen Ehrenplatz, wie ich meinte, in der Mitte des Zeltes. Zu meinen neuen Sitznachbarn zählten nun angenehm erscheinende Frauen, die gepflegt waren und Kopftücher trugen. Dazu sangen sie sehr schön. Ich lauschte den Worten, die mir auf Anhieb gefielen. Sie vermittelten Frieden und Ruhe. Plötzlich wurde es mir peinlich, dass ich im betrunkenen Zustand, dazu noch mit einer Plastikflasche, gefüllt mit reinem Alkohol, hier war. Ich stellte die Flasche auf den Boden neben meine Füße und lauschte dem Gesang. Unerwartet reichte mir dann eine Frau ein aufgeschlagenes Buch und deutete mit dem Finger auf eine Zeile. Es war ein Liederbuch, aus dem sie sangen. Ich begann auch zu singen, und das was ich aussprach, beunruhigte mich. Wir sagen von Gott, der leicht zu finden ist und anschließend: „Vergib mir, o Gott!“ Von den Worten dieses Liedes wurde ich wehmütig. Warum kann ich zu einem Gott so einfach sprechen?
Nachdem das Lied zu Ende gesungen wurde, stand vor uns ein junger, rothaariger Mann auf und begann etwas zu erzählen, was ich nicht begreifen konnte. Und hier hörte ich eine Phrase, die mich aufschrecken ließ: „Gott liebt dich!“ Er deutete mit seiner Hand in eine Richtung. Als ich der Bewegung folgte, sah ich eine russische Frau voller Tränen. Sie hatte jedoch auch etwas Freudiges in ihrem Ausdruck. Dies hat mich sehr beeindruckt. Innerlich beneidete ich diese Frau und sagte mir: „Sie hat Glück gehabt! Gott liebt sie. Und ich? Wer braucht mich überhaupt, wenn sogar meine Nächsten sich von mir abgesagt haben? Und warum überhaupt bin ich nicht als Russe geboren?“ Der Mann zeigte nun auf jemand anderen und sagte: „Gott liebt auch Sie!“
„Dies kann doch nicht sein“, dachte ich. Die Frau, auf die er nun zeigte, war nicht russisch, sondern gehörte eher zu den Tschetschenen. „Hier hast du wahrscheinlich unrecht, dies ist nicht ihr Gott“.
Irgendetwas begann in mir zu brodeln. Ich hörte irgendeine Stimme in mir, die sagte: „Du willst noch etwas trinken? Du bist doch Zuhause! Schäm dich nicht!“
„Und was ist mit den Menschen um mich herum? Es ist doch peinlich!“, antwortete ich der Stimme.
„Lass uns doch mal eine Wette abschließen“, konnte sich jemand in mir nicht beruhigen. „Wenn dieser Mann mit seiner Hand nach rechts zeigt, dann trinkst du die Flasche aus. Wenn nach links, dann eben nicht. Hier bekam ich so ein großes Verlangen zu trinken, dass ich mich kaum beherrschen konnte. Ich hob meinen Kopf und sah auf den Mann. Als ob er darauf gewartet hatte, deutete dieser mit seiner Hand auf mich und sagte: „Jesus liebt dich!“ Ich erschrak und fühlte mich, wie ein begossener Pudel.
In meinem Kopf bewegten sich Worte, wie: „Es ist wahr! Er liebt mich wirklich! Den, der von allen verlassen wurde. Er liebt, doch warum überhaupt? Er ist doch nicht mein Gott! Mein Gott ist doch jemand anderes! Warum denn liebt mich der russische Gott? Wer hat Ihm denn das Recht dazu gegeben?“
Wie lange ich so saß und Selbstgespräche führte, ist schwer zu sagen. Durch ein Gerede am Eingang des Zeltes wurde ich hellhörig und sah den jungen Kasachen, der mich ins Zelt einlud. Jemand sagte ihm: „Dein Bekannter ist nicht ansprechbar. Er ist doch betrunken!“
Der Kerl antwortete: „Nein. Gott redet mit ihm!“ Ich stand auf, kam auf ihn zu, packte ihn wieder an die Kehle und schrie: „Sag mal, warum liebt mich der russische Gott? Wer hat Ihm das Recht dazu gegeben? Und warum liebt Er mich überhaupt?“
Als Antwort hörte ich: „Komm doch und du wirst es selbst erfahren“. Mir selbst sagte ich nun: „Dich selbst töten kannst du noch später. Erfahre doch erst, was der russische Gott von dir möchte und warum Er dich liebt?!“
Dies war vor über fünfzehn Jahren. Diese Begegnung gab mir eine unglaubliche Hoffnung. Diese Begegnung erfüllte mich mit Liebe! Diese Begegnung erweckte in mir den Wunsch, zu leben!
Die Frage möchte ich jedem Leser stellen: „Braucht denn ein Kasache Christus?“ Möge jeder zu einer richtigen Antwort kommen.
Die Bibel sagt: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh. 3,16).
Möge Gott euch auch mit dieser Liebe erfüllen!
B. S.