Geschichtsseminar vom 07. – 09. März in Neuwied Torney
Eine oft wiederholte Aussage von J.B. Toews war: „Eine Gemeinde, die die Vergangenheit vergisst, kann die Gegenwart nicht verstehen und leidet an mangelnder Orientierung für die Zukunft.“ Diese Tatsache ist einer der Gründe, warum jährlich das Geschichtsseminar veranstaltet wird. Es ist auch eine Begründung dafür, dass zunehmend mehr Zuhörer diese Seminare besuchen. Diesmal stand das Seminar, das vom 7. bis zum 9. März 2024 in dem Bethaus der MBG Neuwied-Torney stattfand, unter der Überschrift „500 Jahre Täufergemeinden“. Über dreißig Beiträge wurden erwartet, und sowohl die Vielseitigkeit der Beiträge als auch die Verschiedenartigkeit der Vortragenden trugen dazu bei, dass bei diesem Seminar jeder – Jung und Alt, Historiker und Laie – etwas für sich Interessantes, Berührendes und Neues zu hören bekam.
Schon der erste Beitrag (von Viktor Fast) stimmte nachdenklich: Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit Geschichte? Es ist nicht nur das Interesse an spannenden Geschichten – es gibt nirgends spannendere Geschichten als in der echten Geschichte –, es ist das Bewusstsein, dass wir aus der Vergangenheit lernen können und die Erkenntnis, dass Gott der Herr der Geschichte ist und alles von seiner überragenden Gnade abhängig ist.
Mehrere Beiträge beschäftigten sich mit dem Märtyrerspiegel, einem Buch, das im ersten Teil hauptsächlich über Menschen schreibt, die keine Täufer waren. Die Berichte über die Märtyrer zeigen, dass das Gedankengut der Täufer nicht neu war. Auch vor ihnen gab es immer wieder Christen, die zum Beispiel zur Taufe, Wehrlosigkeit oder zum Eidschwur dieselbe Einstellung hatten wie später die Täufer. Und auch ihre Entschlossenheit, trotz persönlicher Nachteile dem Herrn treu zu bleiben und sich an die Lehren der Bibel zu halten, einte viele der beschriebenen Märtyrer mit den Täufern. Es wird daran gearbeitet eine neue Ausgabe des Märtyrerspiegels zum 500-jährigen Jubiläum des Täufertums fertigzustellen.
Die Betrachtung der Täufer in ihrer Entstehungszeit macht klar, dass schon in den ersten Jahren viel Segen entstand, es aber auch einige Verirrungen gab. Ein Redner erforschte den Einfluss von Erasmus von Rotterdam auf die Züricher Reformation. Gewinnbringend war auch die Untersuchung zum Thema Familie und Gemeindedienst bei den ersten Täufern. Vermutlich wird die Ausstellung über die 500 Jahre des Täufertums, die nächstes Jahr angeboten werden soll, weitere Einblicke in diese erste Zeit schenken.
Allerdings gingen längst nicht alle Berichte so weit in die Vergangenheit zurück. Viele Vorträge betrafen das letzte Jahrhundert. Es gab interessante Einzelheiten über die Zeltmission in den Jahren 1918/19 zu erfahren und auch über das schreckliche Massaker im Dorf Eichenfeld am Tag nach einer Evangelisation, bei dem nicht nur die missionarisch tätige Gruppe getötet wurde, sondern auch fast alle Einwohner des Dorfes ihr Leben lassen mussten.
Der Selbstschutz der Mennoniten während dem Bürgerkrieg 1918-1920 in der Ukraine und die Beziehung der Mennoniten zur Naziregierung im zweiten Weltkrieg sind dunkle und warnenden Abschnitte der Geschichte. Sie zeigen, wie schwierig die Umstände sein können und dass es notwendig ist, um einen richtigen Weg zu ringen. Ermutigend war dabei der Bericht über David Klassen, der auch nach der Einberufung in die Wehrmacht an der Wehrlosigkeit festhielt. Gott bekannte sich zu ihm und half ihm in seinen Nöten.
Interessant war der Einblick in die Methoden zur Kontrolle und Unterdrückung der Gemeinden in der Sowjetunion. Auch der Überblick über die Gemeindegeschichte in scheinbarer Abhängigkeit von den verschiedenen Kurswechseln der Regierung der Sowjetunion ließ einen die Gemeindegeschichte jener Zeit besser begreifen.
Mehrere Berichte betrafen die MBG in Karaganda. Es wurden unter anderem einige Diener genannt, die Gott gebraucht hatte, um die Gemeinde zu bauen. Über einen von ihnen (Heinrich Wölk) trug sein Urenkel eine ausführliche Biographie vor. Spannend war es auch, in einem anderen Bericht die Hintergründe der Taufe von 1983 in der MBG Karaganda zu erfahren. Bilder und Einzelheiten aus dem Reisedienst dieser Gemeinde ließen erkennen, dass Gott Großartiges wirkte und wirkt – und für das Wirken gebraucht er einfache Menschen, die bereit sind, zu einem Dienst „ja“ zu sagen. (Siehe auch das Buch von Jakob Penner „Tröstet, tröstet mein Volk!“)
Als Ende der achtziger und in den neunziger Jahren Mitglieder vieler Gemeinden der Sowjetunion nach Deutschland übersiedelten, ließen sich viele von ihnen auch weiterhin von Gott gebrauchen. So gab es z. B. einen Bericht über die Aussiedlerbetreuung durch Abram Derksen und andere Brüder, und einen weiteren Vortrag über die Evangelisation in den Einheiten der Sowjetarmee in der DDR.
Einen geschichtlichen Überblick gaben zwei Brüder über ihre eigene Gemeinde hier in Deutschland: MBG Frankenthal und MBG Deichstadtkirche Neuwied, Ringstraße. Beide Gemeinden entstanden durch Aus- oder Umsiedler, die den Wunsch hatten, ein gesundes geistliches Zuhause zu finden.
Dass Geschichte nicht nur die Vergangenheit betrifft, sondern durchaus auch in der Gegenwart erlebt wird, machte auf berührende Weise ein Bruder aus Mariupol klar, indem er unter dem Thema „Bruderschaft und Krieg“ die bestehenden Herausforderungen der ukrainischen Gemeinden während des aktuellen Krieges klar machte. Wie kann Wehrlosigkeit in der Kriegszeit ausgelebt werden? Wie verhält man sich gegenüber dem Feind? Wie sieht die Beziehung zwischen Christen zweier verfeindeter Staaten aus? Diese aktuelle Geschichte ist noch nicht fertiggeschrieben. Sie braucht viele Gebete der Christen und bedarf weiterhin der überragenden Gnade Gottes.
Nicht alle Berichte des Geschichtsseminars sind hier erwähnt worden. Es lässt sich auch schlecht in wenige Zeilen und auch nicht in viele Seiten fassen, wie vielseitig, mehrschichtig und weitreichend Gottes Wirken in der Geschichte ist. Hoffentlich hat das diesjährige Geschichtsseminar wieder recht viele Zuhörer ermutigt, tiefer in die Geschichte hineinzuschauen und vom Zuhörer womöglich selbst zum Forschenden zu werden und vor allem eine staunende und anbetende Haltung gegenüber dem HERRN DER GESCHICHTE einzunehmen.
J. u. M. P.

