Gott sei Dank, wir leben

Besuch und Aufbau neuer Kontakte in der Ukraine im Januar 2023

Auch in diesem Jahr hat das Hilfskomitee Aquila wieder Fahrten in die Ukraine organisiert. Zwei Gruppen waren diesmal unterwegs, eine größere reiste nach Transkarpatien und die zweite, bestehend aus Alexander Turkiewicz und Johann Dirksen, machte sich auf den Weg in die Kiew Region. Ihr Ziel war es, mit Lebensmittelpaketen und Hilfsgütern den Menschen vor Ort zu helfen und neue Kontakte aufzubauen, um langfristig humanitäre Hilfe zu leisten. Der Krieg hat vieles zerstört und viele Menschen sind durch den Krieg obdachlos geworden und leiden große Not.
Im Dorf Kolky bei Lutzk übernachteten wir und konnten am nächsten Tag mit einem einheimischen Bruder etliche Witwen besuchen und Lebensmittel sowie den Aquila-Kalender überreichen. Bei einer dieser Witwen war der älteste Sohn im Krieg gefallen und der zweite Sohn wurde kürzlich einberufen. Dies verdeutlicht, dass auch in den westlichen Regionen, wo kein Krieg herrscht, Leid und Not vorhanden ist.
Trotz der Rückeroberung einiger Gebiete werden immer noch Raketen abgeschossen, die zum Teil auch Einschläge verursachen und Häuser und Leben zerstören. Am 3. Januar besuchten wir eine Familie mit 14 Kindern in Welyka Dymerka und wollten dort einen Kontakt aufbauen, um auch in dieser Region humanitäre Hilfe zu leisten. Der älteste Sohn der Familie ist 21 Jahre alt, der Jüngste nur wenige Monate.
Am Mittwoch, den 4. Januar, waren wir mit einigen erwachsenen Kindern und der Frau des Bruders in Bogdanowka und Welyka Dymerka unterwegs und besuchten mehrere Familien, die durch den Krieg alles verloren haben. Auch Familien mit behinderten Kindern wurden besucht.
In einer christlichen Familie besuchten wir auch einen jungen Mann namens Bogdan, 21 Jahre alt. Er ist kräftig und erkennt, dass Gott zu ihm spricht. Gott schenke ihm Gnade, sodass er, selbst wenn er körperlich nicht gesund wird, trotzdem die Vergebung seiner Sünden bei Gott sucht. Als Kind ging er zur Versammlung, hörte aber als Jugendlicher damit auf. Letzten Sommer, als es sehr heiß war, wollte er sich abends schnell im Fluss abkühlen. Dabei verletzte er seine Wirbelsäule und ist seitdem querschnittsgelähmt. Oft weint er. Wir können für ihn beten, dass er sich bekehren kann.
Wir sprachen auch Menschen auf der Straße an und jeder hatte ein offenes Ohr. Bruder Igor erzählte, dass es vor dem Krieg anders war. Die Menschen lebten für sich, niemand wollte Kontakt zu den Nachbarn oder anderen Menschen haben. Sie waren verhärtet und sehr böse. Wenn man bei jemandem am Tor klopfte, konnte man sehr schlechte Erfahrungen machen. Entweder wurde nicht geöffnet, man ließ den Hund los oder im schlimmsten Fall wurde sogar geschossen. Die Not hat vieles verändert. Jetzt wurden wir überall eingeladen, sogar in Garagen, die für den Winter in ein oder zwei kleine Zimmer umgebaut wurden. Nach dem Gespräch beteten wir immer zusammen und alle waren offen für das Gebet. Geheizt wurde mit einem Ofen, wie wir ihn noch aus Kasachstan kannten und der „Burschuika“ genannt wurde. Viele Häuser wurden zerstört, auch ein Bethaus in Bogdanowka.
Die Menschen waren freundlich und was uns besonders auffiel: von niemandem haben wir gehört, dass er unzufrieden war oder jemanden beschuldigt hat. Im Gegenteil, es wurde immer wieder gesagt: „Gott sei Dank, dass wir am Leben geblieben sind!“ Ein Ehepaar, ungefähr 50 Jahre alt, sagte: „Wir haben letztens das Dachgeschoss ausgebaut und wollten alles als Erbe unserer Tochter überlassen, aber jetzt sind es nur Trümmer.“ Oftmals wurde das Licht ausgeschaltet und die Menschen brauchten Kerzen und Streichhölzer.
In dem Dorf Welyka Dymerka wurde die Schule als Festung genutzt und dadurch zerstört. Wir konnten aus Zeitgründen nicht alles verteilen und die restlichen Lebensmittelpakete und anderen Sachen wurden im Bethaus abgeladen. Abends besuchten wir eine Gebetsstunde. Das Thema war „Evangelisation“ und es wurden viele Nöte ausgesprochen. Ein älterer Mann stand auf und erzählte, dass er mit einem Bruder seinen Kameraden in Kiew besucht hatte. Der Kamerad war ungläubig, hörte aber zu, als die Brüder sprachen. Er hatte eine Bitte: Er ist gehbehindert und wohnt in einem Hochhaus. Er bat die Gemeinde, für ihn zu beten, dass er einen Rollstuhl bekommen könnte. Nach der Versammlung wurde ihm dieser Wunsch erfüllt. Gott hatte schon vorgesorgt, denn wir hatten drei Rollstühle dabei.
Ein besonderes Gebetsanliegen erreichte uns von Igor und Valentina Bessmertny, die uns baten, für ihren Sohn Maxim zu beten. Maxim ist noch nicht im Glauben und kämpft als Soldat an der Front. Obwohl er in einer Einheit mit 620 Soldaten war, hatte er als Einziger überlebt und spürte dabei die schützende Hand Gottes. Bitte betet für Maxim.
Am folgenden Tag fuhren wir nach Bila Zerkwa und trafen dort Viktor Martschuk, der von der Gemeinde Augustdorf einen Bus erhalten hatte, um Flüchtlinge zu unterstützen. Das Fahrzeug ist ein Segen für die Arbeit und ist fast rund um die Uhr im Einsatz. Viktor hat vom August bis Neujahr fast 50.000 Kilometer zurückgelegt.
Wir fuhren anschließend nach Butscha, wo wir Wasilij Sulakov trafen. Er brachte uns 150 Lebensmittelpakete, die von Mennoniten aus Kanada für Bedürftige in der Ukraine gepackt wurden. Wir besuchten eine Familie, die uns erzählte, wie es ihnen ergangen war. Als wir über Jesus gesprochen hatten, fing der Mann an zu philosophieren, aber die Frau war sehr interessiert.
Als wir dann nach einem Gebet weiterfahren wollten, sagte die Frau: „nach eurem Besuch ist es mir auf dem Herzen etwas ruhiger geworden.“
Wir übernachteten in Butscha bei Geschwistern aus der Gemeinde, die sich ebenfalls für Flüchtlinge einsetzen. Wir lernten Bruder Viktor mit seiner Familie kennen und hatten eine gute Gemeinschaft mit ihnen. Wir ließen hier etliche Lebensmittelpakete für ihre Arbeit, denn sie fahren oft in den Osten der Ukraine in die Regionen, wo der Krieg stattfindet.
Am 6. Januar machten wir uns früh morgens auf den Weg in das etwa 360 km entfernte Kolky. Unterwegs besuchten wir eine Familie in Manewitschi, wo die Mutter Witwe ist und ihr Sohn Alkoholiker. In Kolky führten wir viele Gespräche und besuchten am Abend die Versammlung. Später besuchten wir eine ältere Schwester und verbrachten den Abend im Haus von Iwan und Lena Bud in Gemeinschaft mit den Geschwistern.
Am 7. Januar fuhren wir nach Kowel zum Bruder Wadim Abramtschuk, um unsere Ladung abzugeben und den Anhänger mitzunehmen. Nachmittags machten wir uns auf den Heimweg.
Am 8. Januar um 9:10 Uhr sind wir unter der schützenden Hand unseres Herrn Jesus Christus gut in Augustdorf angekommen, so dass wir noch rechtzeitig zur Versammlung kamen. Auf dieser Fahrt haben wir viel Not gesehen. Viele junge Menschen, die aus dem Krieg zurückkehren, sind leider Invaliden und benötigen Rollstühle, Krücken und vor allem das Wort Gottes und Gebete.
Wir möchten uns bei allen bedanken, die sich beteiligt haben – sei es durch Gebete, Spenden, Lebensmittelpakete, Matratzen oder andere Sachen. Besonders dankbar sind wir für die Decken, die die Schwestern aus der Gemeinde Lage mit viel Liebe und in großer Menge extra für diese Fahrt zwischen Weihnachten und Neujahr genäht haben. Das war für sie zwar eine Herausforderung, aber diese Decken sind äußerst notwendig in der Ukraine, insbesondere jetzt im Winter.
J. D.