Fahrt in die Ukraine vom 4. Juni bis 11. Juni 2024
Wir starteten am 4. Juni in Lage mit dem Ziel, einige Glaubensgeschwister in der Ostukraine zu besuchen, die wir durch verschiedene Führungen Gottes in Deutschland kennengelernt haben. Das Hauptziel war eine Gemeinde in Tscherkassy, die seit Beginn des Krieges viele Mitglieder verloren hat und Inlandsflüchtlingen in der eigenen Stadt hilft. Wie verbringt man so eine lange Fahrt ohne Langeweile? Natürlich lernt man sich kennen, vor allem von einer nicht so offiziellen Seite. Man spricht über das Glaubensleben, über den bevorstehenden Einsatz und die Familie. Eine Weile tauschten wir uns über die Aussage in Prediger 7,16 aus: „Sei nicht allzu gerecht und erzeige dich nicht übermäßig weise! Warum willst du dich selbst verderben?“ Mich brachte dieser Vers dazu, mehr nachzudenken, bevor ich rede. Nach über 2000 km und 27 Stunden Fahrt kamen wir bei Familie Sidorenko an, wo wir uns die nächsten Tage aufhalten sollten.
Nachdem am 18. Mai die Reisebestimmungen für Männer erheblich verschärft worden waren, trauen sich fast nur Frauen und ältere Männer auf die Straßen. So sind als LKW- oder Busfahrer überwiegend Frauen zu sehen. Einer Arbeit nachzugehen bedeutet für die meisten Wehrpflichtigen, sich dem Risiko auszusetzen, vom Militär zwangseingezogen zu werden. Um dieses Problem zu umgehen, sind örtliche Whatsapp-Gruppen erstellt worden, wo entsprechende Informationen und Warnungen über durchgeführte Kontrollen und Einzugsbescheide in Umlauf gebracht werden. Wir wurden auf der gesamten Fahrt immer wieder kontrolliert und mussten unsere Pässe vorzeigen, konnten aber immer rasch weiterfahren.
Alexander S. ist als Gehilfe und Evangelist in der Gemeinde tätig. Zu seinen Aufgaben gehört es, den Bedürftigen vor Ort zu helfen, aber auch Fahrten mit Gruppen in die Nähe der Front zu organisieren. Er versucht, mit Jugendlichen und anderen Freiwilligen einmal im Monat einen Einsatz zu organisieren, bei dem sie kleine Gruppen besuchen und dort den akut betroffenen Notleidenden mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und der Frohen Botschaft helfen. Eine Gruppe besteht aus bis zu acht Personen, die singen, musizieren, predigen und praktisch arbeiten können.
Auf die Frage: „Ist es nicht gefährlich, zur Front zu fahren?“, antwortete Alexander: „Je näher wir an die Front kommen, desto weniger besteht die Gefahr, (in den Kriegsdienst) eingezogen zu werden. Bei der Rückreise wählen wir Zeiten, bei denen keine Kontrollen durchgeführt werden.“
Für diesen Einsatz bezeichnend waren einige Besuche, die wir als Gruppe erlebten. Sie bleiben wahrscheinlich länger und tiefer in Erinnerung als unsere gesungenen Lieder und vorgetragenen Predigten.
Am Donnerstag besuchten wir die Mutter von Alexander S. Sie ist eine ältere Frau, die sich stark an die Orthodoxie hält. Sie vertraut den Bräuchen der Kirche und ist bemüht, sich an die Bräuche und Regeln der Priester zu halten. Auch wenn ihre Gesundheit sehr zu wünschen übrig lässt, versorgt sie andere Pflegebedürftige und Obdachlose mit Mahlzeiten. Auch für uns hatte sie einiges vorbereitet, obwohl ihr Sohn es ihr ausreden wollte. Bei solchen Menschen erlebt man immer wieder, dass sie mit ihrem eigenen Glaubensleben zufrieden sind und sich auf ihren Werken ausruhen. Doch als wir von unserem persönlichen Glauben, unserer offenen Beziehung zu Gott erzählten und einige Lieder sangen, sahen wir in ihrem Gesicht eine tiefe Rührung.
Am nächsten Tag hatten wir eine weitere Begegnung. Es war eine ältere Person, die nach einem Schlaganfall gesundheitlich schwer zu leiden hat. Aber es war jemand, der für uns eine Ermutigung wurde. Es war der ehemalige Gemeindeleiter, der die Gottesdienste mittlerweile kaum besuchen kann. Seine Augen strahlten, als wir einige Lieder sangen und mit seiner Frau als „Dolmetscher“ (er kann nur schwer verständlich reden) über unsere Hoffnung im Himmel sprachen. Er betet täglich für die Gemeinde, die Prediger und ist aufrichtig froh, dass Jüngere in der Gemeinde dienen. Sein Glaube richtet sich auf die Gnade Gottes, bei dem er in der Ewigkeit sein möchte.
Zuletzt statteten wir einem weiteren kranken Menschen einen Hausbesuch ab. Es war eine Witwe aus der Gemeinde, die viele gesundheitliche Probleme hat und mit ihrer geringen Rente nicht überleben kann. Deswegen backt sie zu Hause süßes Gebäck und verkauft es im Stadtpark an die Besucher (einiges davon aßen wir bei unserer Gastgeberin, weil sie unbedingt etwas Gutes für uns tun wollte). In der Woche vor unserem Besuch erhielt sie vom Arzt eine weitere Diagnose, die eine dringende Behandlung erforderlich machen würde. Es ist leicht, einem kranken Menschen zu sagen, dass er auf Gott vertrauen soll, wenn man selbst jung und gesund ist. Dennoch fiel es uns allen schwer, hier tröstende oder ermutigende Worte zu finden. So sangen wir ein Lied, das wir auch in den besuchten Gottesdiensten immer wieder sangen, dessen Inhalt ich aber persönlich noch nicht erleben musste: „Надежда наша– Иисус Христос“ (Unsere Hoffnung ist Jesus Christus). In der letzten Strophe heißt es etwa wie folgt: „Auch wenn mein Körper altert, wie ein Kleidungsstück, ich trage meine Hoffnung im Herzen […] Meine Hoffnung ist Jesus Christus!“ Wir merkten, wie sich mit jeder Strophe des Liedes die Anspannung löste und auch diese bedrückte Frau wieder Hoffnung schöpfte.
Nach unserer Ankunft in Deutschland wurde uns mitgeteilt, dass die Diagnose in einer weiteren Untersuchung nicht bestätigt werden konnte. Die befürchtete Behandlung und die damit verbundenen Kosten blieben ihr erspart.
Wir sind für die Bewahrung auf der 7-tägigen Fahrt sehr dankbar.
E. E.